Donnerstag, 26. März 2015
Germanwings - neues Debakel für die Presse
Vorverurteilungen:
Die Untersuchungen dauern an - der Schuldige ist jedoch schon gefunden.

Ein Nutzerbeitrag von dirk van appeldorn
https://www.freitag.de/autoren/dirk-van-appeldorn/germanwings-neues-debakel-fuer-die-presse#1427400310126272

Die Zweite Blackbox (orangebox) ist noch nicht sichergestellt worden und die Untersuchungen laufen auf Hochtouren. Aber der französische Staatsanwalt hat auf einer Pressekonferenz eindeutig klargestellt, dass der Kopilot die Germanwings Maschine mit Absicht zum Absturz brachte. Dann wurde der Name des „Täters“ erwähnt (und sogar wiederholt buchstabiert) und die Meute stürzt sich auf Montabaur, wo Nachbarn, Bekannte, Freunde, etc. ihre üblichen Aussagen treffen. Von „Der war doch so nett“ bis „Na, irgendwie war der schon etwas komisch“ und „Ich habe so was kommen sehen!“

Was haben wir uns alle in den letzten Wochen ereifert, wenn es um den Begriff „Lügenpresse“ geht und die Presse hat ja auch alles Erdenkliche getan, damit diejenigen, die den Begriff „Lügenpresse“ als richtig empfinden, in die Schublade „rechts und dumpf“ gepresst werden können.

Und nun diese furchtbare Vorverurteilung, getragen von vielen Medien in Deutschland. Allen voran Kai Biermann und Frida Thurm von der ZEIT, die die volle Namensnennung damit begründen „dass es andere ja auch getan haben“.

Sollte die Aussage des frz. Staatsanwaltes ein sogenannter „Abschlussbericht“ sein, so wundert man sich doch sehr, warum überhaupt noch untersucht und nach der zweiten Blackbox gesucht wird? Steht doch jetzt alles fest, oder?

In Deutschland gibt es ungefähr 856 Menschen, die den gleichen Nachnamen tragen. (Quelle: http://www.name-statistics.org. Das nach Rache schreiende Volk wird diese L.‘s in Sippenhaft oder sogar Namenshaft nehmen. ("Ach, sind Sie mit diesem Selbstmörder verwandt?")

Bleibt nur zu hoffen, dass (nicht nur) die L.'s die entsprechenden Medien auf Schmerzensgeld verklagen, bzw. Beschwerde beim Deutschen Presserat einreichen.

Wie sang Hannes Wader in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts doch so treffend über dies Art von Journalisten? "Wer frässe sich denn sonst da satt, wo unsereins gesch... hat!"


Sonntag, 15. Februar 2015
DER NUTELLA MANN IST GESTORBEN
Michele Ferrero - Ein Kommentar zu meinen Zukunftsängsten

Heute Nacht wachte ich schweißgebadet auf. Was ist nur los mit dieser, unserer Welt? Aber was genau hat mich aufgeschreckt? ISIS? Ukraine-Krise? Flüchtlingsdrama im Mittelmeer? Pegida? Lügenpresse? Nichts dergleichen! Nein, es war der tiefe Schock: Wird es bald kein Nutella mehr geben? Eine Frage, die sich nun die ganze Welt stellen muss – von einigen Diabetikern mal abgesehen.

Der reichste Mann Italiens ist gestorben. Er galt als stiller, schrulliger self-made Geschäftsmann, der von seinen Mitarbeitern viel verlangte, aber auch Erfolg mit ihnen teilte. Wer hat nicht schon die verschiedensten Schokoladen/Nuss-Aufstriche probiert, um dann am Ende zu sagen „Nee, an Nutella kommt dieses Zeugs nicht ran!“

Aber es ist ja nicht nur Nutella, sondern auch Mon Cheri – mit der Piemont-Kirsche, die natürlich nicht aus Piemont stammt, sondern in Polen oder in Chile eingekauft wird. Oder Hanuta, wo die Haselnussreste zu einer bekömmlichen Waffel verarbeitet werden. Oder Kinder-Schokolade, Ferrero Küsschen, Duplo, undundund…

Michele Ferrero galt als strenggläubiger Katholik, und dennoch wurden und werden seine Produkte auch in moslemischen Ländern verkauft. Süßigkeiten, die die Welt verbinden. Heute habe ich an den Vatikan geschrieben und den Papst gebeten, doch bitteschön die Heiligsprechung dieses großen Mannes in die Wege zu leiten.

Als eingefleischter Hanuta-Fan auf dieser Welt erinnere ich mich noch gern an einen Kinderstreich. Ich schrieb einen Brief an Ferrero in dem ich der Firma mitteilte, „dass mein letztes Hanuta eine rote, salzige und sehr glibberige Masse beinhaltete.“ Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. Ein langer Brief, in dem mir allerlei fremde Sachen um die Ohren geworfen wurden, wie z.B. strenge Prüfungen durch das Fresenius Institut. Aber: Gleichzeitig erhielt ich ein Päckchen mit allerlei Köstlichkeiten der Firma Ferrero, inklusive 12 (in Worten: zwölf) Hanutas, von denen nicht eine einzige diese rote, salzige Masse hatte. Ich bin auch heute noch sicher, dass dies der schönste Tag in meiner Kindheit war. (PS: Ich bin kein Diabetiker).

Meine Albtraum/Angstliste für 2015 muss nun überarbeitet werden. Was haben wir am meisten zu befürchten? Krieg mit Russland? ISIS? Eurozusammenbruch? Ist ja alles irgendwie erträglich, aber kein Nutella mehr? Nein, das ist ein unerträglicher Gedanke.

Danke, Michele Ferrero, für dein grossartiges Lebenswerk. Und nun…ein frisches Brötchen mit Nutella. Ich habe zur Vorsicht sämtliche Bestände einer Supermarktkette aufgekauft.


Donnerstag, 12. Februar 2015
PALEO DIET - was Sie schon immer wissen sollten
Die Steinzeit, Mittwoch nachmittag, 16.30.

Urkk, Kroog und Lambam sind schon den ganzen Tag unterwegs, um etwas Essbares für den Clan aufzutreiben. Und es wird auch immer kälter, der letzte Winter dauerte etwa 10 Monde – Schnee und Eis schmilzen kaum noch. Urkk träumt vom letzten Mammut-Kebab. Lang ist’s her. Jetzt graben er und seine Freunde im frostigen Boden nach kleinen Wurzeln. Sechs erbärmliche Wurzeln, ein grosser Käfer und eine Handvoll Beeren… das muss reichen für 14 Höhlenbewohner.
Lambam, der mit seinen hellseherischen Fähigkeiten nicht umsonst Anführer ist, erzählt auf dem Weg zurück zur Höhle eine Geschichte, um den langen und gefährlichen Weg etwas aufzulockern.

„In einigen tausend Jahren gibt es viele Menschen, die nie mehr hungern müssen. Sie haben einfach alles… und noch viel mehr. Und deshalb wollen sie wieder weniger haben und wollen so essen, wie wir es heute tun.“

Urkk und Kroog schauen sich nur stumm an.

„Sie nennen es Paleo Diet oder auch Steinzeit Diet. Die Menschen werden 100 Jahre alt und das ist den meisten entschieden zu viel. Darum wollen sie die Lebenserwartung wieder auf ein Fünftel reduzieren. Das Motto lautet: nur das essen, was man in der Steinzeit auch gegessen hat.“

„Ja sind die denn völlig bescheuert?“ wirft Urkk ein. „Alle zwei Jahre ein Mammut bis die Salmonellen winken und sonst nur Beeren, Wurzeln, Nüsse und jede Menge ungeniessbares Zeug, was schon drei Vorkoster umgebracht hat.“

„Nein“, lachte Lambam. „Die denken doch, dass wir ganz anders und völlig gesund gegessen haben. Natürlich gibt es Einschränkungen. Die Paleoistas – so nennen sich einige von ihnen – geben ja zu, dass sich die Ernährung der Höhlenbewohner nicht 1:1 übertragen lässt. Für Frauen scheitert das daran, dass sie ja arbeiten müssen… in der Zukunft wie gesagt…
Also… diese Diet besteht aus grossen und kleinen Mahlzeiten. Das Häppchen für Zwischendurch könnte ein hartgekochtes Ei sein. Aber da man so etwas nicht stets mit sich rumschleppt, essen die stattdessen Schokolade.“

„Was ist ein hartgekochtes Ei und was ist Schokolade?“ riefen Urkk und Kroog unisono.

„Aber wenn sie ihren Hunger unterdrücken wollen, trinken sie ein Tässchen Espresso, aber nicht mit Zucker, sondern mit Stevia gesüsst. Und es gibt bayerischen Schokoladekäsekuchen und Muffins und Endiviensalat mit Olivenöl und Paleo-Spaghetti mit Kürbis und Fleischbällchen.“

Urkk schüttelte den Kopf. „Bevor ich frage was denn Espresso, Zucker, Stevia, bayerisch, Käsekuchen, Muffins, Endivien, Salat und Spaghetti sind… wo wächst denn dieses Espresso? Wäre doch gut, wenn wir das der heutigen Ausbeute beilegen. Kürbis kenn' ich ja…schmeckt wie Kacke. Und Fleischbällchen? Sowas wie Mammut-Kebab?“

„Gegrillte Schweinekotlets in Senfsosse mit Basilikum-Aprikosen Salat“, fuhr Lambam unbeirrt fort. „Gewürzte Kürbisbrötchen á lá Paleo Starbucks“,

„Wie wär’s denn mit junger Säbelzahntiger, 3 Wochen tot und kalt gegessen, weil kein Feuer?“ meinte Kroog bitter.

„Die sagen, dass wir einfach nur essen, was gut für uns ist“, meinte Lambam.

„Klar sind Kürbisse die nach Kacke schmecken und vertrocknete Wurzeln von denen keiner weiß, ob sie nicht giftig sind, und roher Säbelzahntiger einfach nur gut für uns. Aber damit werden wir nicht 100 Jahre alt“, ereiferte sich Kroog.

Endlich erreichen sie sicher ihre Höhle und überreichen die kümmerlichen Funde den Frauen.

„Sei nicht so bekümmert, Urkk“, tröstete ihn seine Partnerin. „Wir haben noch etwas Säbelzahntiger übrig. Da machen wir Wurzelspaghetti mit Kürbis und kalten Fleischbällchen. Und dazu ein Gläschen Roten.“

Urkk war glücklich. „Das Leben ist schön“, murmelte er. „Morgen gehen wir auf die Suche nach Espresso und Stevia.“


DER "GEFÜHLTE" BLÖDSINN
Mein Wetter? Oder - warum der Wetterdienst uns diesen „gefühlten“ Unsinn einredet.

Ein Beitrag von grunzwasser, 5.2.2015

Ich war ein Jahr lang am Amazonas. U.a. auch, weil es selbst mitten in der Wildnis ein besseres, stärkeres Internet gibt, als irgendwo in Deutschland. Natürlich gibt es Funklöcher, aber die meisten davon haben einen Durchmesser von 35 cm und nennen sich Anaconda. Also… sitzt man erst einmal in der Schlange, ist die Verbindung nicht mehr die beste. Vielleicht reicht es gerade noch für eine kurze e-mail „Du glaubst ja nicht, wo ich gerade bin“ – oder „wish you were here“. Letzteres gilt dann wohl eher für Nicht-Freunde, Geschäftspartner und Kollegen.

Aber nun zum Thema. Da sitzt man am Dreiländereck von Brasilien, Kolumbien und Peru und schaut mal nach, was www.wetter.de denn so voraussagt. Und schon kommt das Resultat: Jawohl, Tabatinga 40 C. Aber dann lese ich in Klammern: gefühlte 38 C. Nun bin ich ja schon seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr in Deutschland und obwohl ich immer wieder Freitag, SPON und ZON konsultiere, war mir dieses „gefühlte“ noch nicht aufgefallen. Schnell habe ich mir andere Städte auf der Welt angeschaut. Und tatsächlich. Hamburg 7 C (gefühlte 9 C). Zum Donnerwetter, denke ich. Was haben die denn da erfunden? Jetzt wollen die schon wissen wie ich fühle, oder noch besser: wie ich zu fühlen habe?

Das war so ein Tag an dem ich dachte: ganz schön warm, aber irgendwie erträglich. Fühlt sich an wie 25 C. Und schon kommt Harry zu Besuch, ein Holzfäller aus Kanada, der jetzt sein Brot am Amazonas verdient. „Morgens ein Baum und der Tag wird ein Traum“, lautete seine Devise. Doch an dem Tag hatte er andere Probleme. „Was für eine schwüle Hitze heute! Fühlt sich an wie 50 C!“

„Nee, Harry“, lachte ich und zeigte ihm die deutsche Webseite. Es sind 40 C, aber die da sagen, dass wir nur 38 C fühlen."

„Ja woher wollen denn diese Dummbatze wissen, wie ich fühle?“

Ich versuchte es mit einigen Erklärungen. Irgendwie muss man sein Heimatland doch verteidigen, selbst wenn es keinen Sinn mehr macht. Also erzählte ich ihm was von neumodischen Satelliten-Scannern, die auch vom Wetterdienst eingesetzt werden. Die scannen uns also und wissen dann, was man fühlt.

„Ha! Was MAN fühlt? Wie soll das denn gehen? Klar, es würde Sinn machen, wenn jeder einzelne Bundesbürger gescannt wird. Aber dann muss man auch namentlich auf der Webseite erscheinen… die wird ja schön lang werden. Aber kann man ja alphabetisch ordnen. Für mich ist ok wenn da steht: Tabatinga 40 C (Dirk gefühlte 25 C und Harry gefühlte 50 C). Aber uns vorzuschreiben, wie wir zu fühlen haben… das geht ja wohl gar nicht.“

Ich antwortete ihm, dass ich zwar nicht weiß, wie das in Kanada läuft, aber wenn ich mich in Deutschland beschwere, dann kommt wahrscheinlich ein anderer Scanner vom Auswärtigen Amt oder TTIP und dann kommt raus: Ja klar, Troublemaker, Linkshänder, viele Auslandsaufenthalte… und dann? Schwupps ist mein Rentenanspruch weg, weil ich nicht so fühle, wie ich zu fühlen habe. Und irgendwann lässt man dann die tatsächlichen Temperaturen weg und schreibt nur das hin, was man gefälligst zu fühlen hat.

„Ihr Deutschen seid schon sehr, sehr merkwürdig“, meinte Harry und ich war froh, dass er das so diplomatisch wie nur möglich formuliert hatte. Ich erzählte meinem Holzfällerfreund, dass mich ein Bekannter angerufen und mir erzählt hatte, dass er seit drei Wochen aus dem Urlaub zurück ist und ergänzte „gefühlte 5 Wochen“!

OMG, die sind alle schon erfasst, dachte ich nervös. Und dann kam raus, dass seine Freundin nur „gefühlte 2 Wochen“ hatte. Die Tatsache, dass es exakt drei Wochen waren, spielte für beide überhaupt keine Rolle mehr.

Nun kennt man diese Sachen ja eigentlich nur vom Alter her. Man fühlt sich ja immer jünger als man ist und wenn man das den Damen nicht bestätigt, ist man oben-, mitten- und unten durch. Da lobe ich mir doch meine Schwägerin (die mit der „Gott, bin ich noch jung“-Manie), welche mir mal klipp und klar verdeutlichte, was jung-sein eigentlich bedeutet: „Jung sein heißt, beim Bruce Springsteen Konzert auf den Stuhl zu klettern und laut Bruuuuß zu rufen!“ Das ist eben das „gefühlte“ Alter. Andere würden diese Aussage eher als Zeichen von alt-sein einstufen. Ich habe mir verkniffen anzumerken, dass sich nun wirklich niemand mehr wundern sollte, wenn Bruce Springsteen unter schweren Depressionen leidet. Aber was sage ich da? Beim Springsteen Konzert waren sage und schreibe 25 C (Schwägerin: gefühlte 52 C). Mal sehen, ob www.wetter.de seine Scanner neu programmiert.

Und wie ich das mit dem Rentenanspruch gemeint habe? Ganz einfach. Wenn ich 67 bin wird mir der Scanner sagen: Du fühlst nur 60… kannst also noch sieben Jahre weiterarbeiten. Mit mir nicht, meine Herren/Innen!

(PS: Ich bitte alle Herrinnen um Entschuldigung. An diese Gender-Sache habe ich mich noch nicht gewöhnen können.)

https://www.freitag.de/autoren/dirk-van-appeldorn/der-gefuehlte-bloedsinn